In England ist es Tradition, dass am 26. Dezember – dem «Boxing Day» – Fussball gespielt wird. Es kam auch in der Schweiz vor, dass an diesem Tag Spiele ausgetragen wurden. So beispielsweise am 26. Dezember 1943, als die Sechzehntelfinals des Schweizer Cups auf dem Programm standen.
Im Stadion Neufeld kam es zum Berner Stadt-Derby, der FC Bern empfing den BSC Young Boys. Nationalliga-Vertreter YB setzte sich gegen den Stadtrivalen aus der 1. Liga – damals die zweithöchste Spielklasse – mit 4:1 durch. Matchwinner war Willy Bernhard, der die ersten drei YB-Treffer erzielte.
Hier der Spielbericht aus dem «Bund» vom Montag, 27. Dezember 1943:
Die grüne, schneelose Weihnacht und der schöne, trotz Bise gar nicht so kalte Stephanstag haben dem Berner Derby die Zahl von 7'000 Zuschauern gebracht – natürlich in Verbindung mit dem Interesse, das gebührenderweise einem so seltenen Ereignis im Berner Fussballsport zukommt. So erfreulich einerseits ein Spiel FC Bern - Young Boys ist, so hat es diesmal auch seine Schattenseite; denn die Knockout-Konkurrenz des Cups wird unweigerlich den einen der beiden Stadtklubs für den weitern Wettbewerb ausschalten. Der Neufeldklub übergibt den gastierenden Young Boys einen Blumenstrauss, und dann stellen sich die Mannschaften Herrn Lutz (Genf) wie folgt:
FC Bern: Jauner - Hergenröder, Stucki - Fritz Lehmann, Artimovicz, Jutzeler - Paolucci, Jundt, Kropf, Wyss, Hs. Lehmann.
Young Boys: Glur - Siegrist, Gobet - Puigventos I, Trachsel, Flühmann - Knecht, Walaschek, Stoll, Bernhard, Puigventos II.
Das Spiel beginnt explosiv mit einem Verstoss der Young Boys; aber in der Aufregung wird das Leder vor Jauner verfehlt oder irgend an ein Bein dirigiert – die Gefahr geht vorüber. Der leicht gefrorene Boden hat seine Tücken. Trotzdem bauen die Gelbschwarzen nacheinander rassige Angriffe auf, die nur noch des treffsicheren Abschlusses bedürfen. Die Young Boys versuchen mit raschem Spiel und weiten Vorlagen zum Erfolg zu kommen. Aber der glitschige Rasen lässt manchen Blitzstart missraten – übrigens auch bei den Bernern, die nach zehn Minuten die Belagerung durchbrechen und auch Glur beschäftigen.
In der 12. Minute dreht Jauner eine tolle Bombe von Knecht aus der linken Ecke heraus und eine Minute später kann der YB-Sturm ein wirbliges Gedränge vor dem Bern-Tor wieder nicht zum Treffer auswerten. Die Platzherren schaffen sich anschliessend mit zwei Verstössen bis zu Glur Luft. Doch die Wankdorfleute kontern sofort – an Tempo und Szenenwechsel fehlt es dem einsatzreichen Kampf wahrlich nicht. Und in der 22. Minute führt eine Passfolge Knecht, Walaschek, Puigventos, Stoll durch Bernhard zum
1:0 für Young Boys
Zwei Minuten später wird Walaschek bei einem spritzigen Durchbruch von Artimovicz im Strafraum gelegt – den Elfmeter verwandelt Bernhard zum
2:0 für Young Boys
Diese beiden Erfolge sind die Früchte einer überlegten Zusammenarbeit aller Linien und des Fleisses jedes einzelnen Spielers. Doch die Berner geben sich noch nicht geschlagen, und eine Zeitlang drücken nun sie, wobei in der 35. Minute ihnen ein Treffer nach Freistoss über die Mauer infolge Offside verloren geht.
Zum 3:0 für Young Boys
kommt es auf etwas diskutable Weise. Wieder hat ein YB-Angriff eine kitzlige Situation vor dem Berner Kasten geschaffen. Der Ball spritzt von Freund zu Feind und wieder hin und her, Jauner sucht ihn zu fischen, Puigventos auch; es scheint, dass der Berner Hüter den YB-Flügel umklammerte – Lutz gibt Penalty, und Bernhard trifft zum drittenmal. Im Publikum grollt und pfeift es teilweise, während andere mit dem Schiedsrichter einig gehen.
Pause 0:3
Der Beginn der zweiten Halbzeit steht im Zeichen abnehmender Temperatur und fortwährender Feldüberlegenheit der Young Boys, die sich vorerst in zwei Cornern ausdrückt. Zwar können die Berner das Spiel immer wieder offen gestalten und mit zügigen Gegenangriffen starken Wechsel in das Kampfbild bringen. Aber der Abschluss der Angriffsaktionen ist zu wenig zwingend, um das starke Bollwerk der YB zu durchbrechen.
In der 15. Minute muss Artimovicz auf Weisung des Schiedsrichters das Feld verlassen. Der Grund konnte nicht in einer Spielhandlung liegen; er wird in einer auf der Tribüne nicht hörbaren Bemerkung zu suchen sein, im Zusammenhang mit einem Freistoss gegen Bern, der unverwertet bleibt.
Die Klassenüberlegenheit der Young Boys setzt sich immer mehr durch, und der Kampfcharakter nimmt ab. Der Match wird zu einem Kombinationstraining der Gelb-Schwarzen gegen einen zwar sich ständig, doch mit unzureichenden Mitteln wehrenden Gegner. In der 30. Minute kann Stoll am überspielten Hüter vorbei mit dem Ball am Fuss ins Tor laufen.
4:0 für Young Boys
Zu Beginn der letzten Viertelstunde setzen die Berner noch einmal Dampf auf. Zuerst scheitert Kropf nach Durchbruch an Glur. Dann aber führt eine Generalattacke der Mutzen zu einem Foul im YB-Strafraum; den dritten Penalty dieses Spiels setzt Fr. Lehmann ins YB-Tor.
1:4
Die restlichen zehn Minuten stehen vorerst noch, in Umkehrung der berühmten Young Boys-Schlussviertelstunde, unter dem Diktat der Berner, bis auch bei den Siegern noch einmal der Offensivgeist aufflammt. So endet das Spiel lebhaft, wie es begonnen hat – mit einem verdienten Sieg der Young Boys, die durch die lebhaften, unermüdlichen Aktionen des FC Bern Gelegenheit bekamen, ihr wirkliches Können sowohl in der Abwehr wie im Angriff zu zeigen.
Es ist schade, dass aus dem undisziplinierten Teil des Publikums heraus ein Misston in den Kampf getragen wurde, den die Spieler trotz der Cuphärte im allgemeinen ohne Gehässigkeit führten. Wir möchten verantwortungsbewussten Fussballklubmitgliedern raten, den flegelhaften Jungen, die sogar an die Brüstung der Ehrentribüne herantreten und von dort aus den Schiedsrichter beleidigen (mag man über seine Entscheide auch diskutieren können), nach alter Väter Sitte Mores zu lehren!
[sst]