Eltern

Eltern als Talentfaktor im Nachwuchsfussball!

«Är isch es Talent» – im Zusammenhang mit leistungsstarken Spielern hört man diesen Satz wohl bei jedem Nachwuchsspiel mehrfach. Da stellt sich schnell die Frage: wer ist denn nun wirklich ein «Talent» und durch welche Eigenschaften lässt es sich beschreiben? Das Institut für Sportwissenschaft der Universität Bern ist unter der Leitung von Prof. Dr. Achim Conzelmann in verschiedenen Forschungsprojekten gemeinsam mit dem Schweizer Fussballverband (SFV) und dem BSC YB dieser Frage nachgegangen. Dabei konnten bei jungen Fussballern vielfältige Einflussfaktoren auf den späteren sportlichen Erfolg nachgewiesen werden. Unter anderem wurde nachgewiesen, dass sich das Verhalten der Eltern entscheidend auf die sportliche Entwicklung von fussballbegeisterten Kindern und Jugendlichen auswirken kann. Eltern sind also gewissermassen auch ein wichtiger «Talentfaktor» im Schweizer Nachwuchsfussball!
 

 

1. Talent bzw. Talentfaktoren? ...

... welche Eigenschaften braucht ein Spieler für späteren Erfolg?

Grundsätzlich kann ein junger Spieler als «Talent» bezeichnet werden, wenn er hohe Chancen auf einen späteren Erfolg im Erwachsenenalter hat (z.B. Sprung in die 1. Mannschaft beim BSC YB). Aber welche Eigenschaften muss ein junger Spieler dafür mitbringen? Glaubt man den gewonnenen Erkenntnissen aus den Projekten der Universität Bern, dann braucht es einiges mehr, als nur gut auf dem Spielfeld zu sein. Natürlich sind Technik, taktisches Verständnis, Wahrnehmung von Spielsituationen, Koordination, Schnelligkeit und Ausdauer wichtige Bereiche für ein Talent. Darüber hinaus muss aber auch die Persönlichkeit vielversprechend sein. Nur wer hoch motiviert ist, sich langfristig in allen Belangen zu verbessern, kann später einmal Spitzenleistungen erbringen.
Neben jenen Faktoren, die direkt dem Spieler zugeordnet werden können, braucht ein Talent zusätzlich auch ein erfolgversprechendes Umfeld. Dazu gehören vor allem Trainingsmöglichkeiten. Der BSC YB versucht hier mit qualifiziertem Personal und einer hohen Trainings- und Wettkampfqualität einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Spieler zu leisten. Neben dem sportbezogenen Umfeld gibt es allerdings auch einen nicht-sportbezogenen Bereich, der ein wichtiger «Talentfaktor» ist. Dazu gehört zuallererst die Familie, aber auch die Schule bzw. Ausbildung, welche jeweils einen Einfluss auf die Entwicklung des jugendlichen Fussballers nehmen.


 
Vereinfachtes Modell zu aktueller Leistung und Entwicklungsmöglichkeiten bei jugendlichen Fußballspielern (modifiziert nach Henriksen, Stambulova & Roessler, 2010; Güllich, 2013; Weissensteiner, 2017; Williams & Reilly, 2000).

2. Wer ist nun das grösste Talent...

...und warum ist dies so schwer festzustellen?

Nachwuchsfördersysteme, so wie auch jenes des BSC YB, sind in der Regel wie eine Pyramide aufgebaut. Zu Beginn können im Selection Team noch viele Spieler am Förderprogramm teilnehmen, ab der Stufe FE12 wird es mit jedem Jahr schwieriger einen Platz zu erhalten. Wie können nun aber die «richtigen» Talente gefunden werden, die die höchste Chance haben später im professionellen Fussball zu landen und somit in der «Talentpyramide» verbleiben sollen?

Probleme aus zwei Bereichen machen diese Selektion zu einer schwierigen Angelegenheit, die auch im Rahmen der wissenschaftlichen Projekte der Universität Bern nicht vollständig aufgeklärt werden konnte:
 
  • Talentselektion findet ab der Stufe FE12 statt. Die höchste Leistung erbringt ein Spieler aber mit etwa 25 Jahren. D.h. bei einer Selektion müssen Voraussagen über eine sehr lange Zeitspanne von mehr als 10 Jahren getroffen werden. Das ermöglicht viel Spielraum für ganz unterschiedliche Entwicklungen (Problem 1). Zudem wirken die biologische (u.a. wie gross, stark und schnell ist ein junger Spieler) und psychosoziale Entwicklung (u.a. wie gut kann sich ein junger Spieler auf das Training und seine sportliche Entwicklung fokussieren) als «systematische» Fehler auf die fussballerische Entwicklung bzw. die aktuelle Leistung von Jugendlichen (Problem 2). Ein fairer Vergleich zwischen verschiedenen Spielern wird dadurch beinahe unmöglich.

    Drei Probleme der Talentprognose: Die lange Zeitdauer, verzerrende Einflüsse und das unklare Zusammenspiel der vielen Faktoren.
     
  • Einzelne Talentfaktoren (z.B. Technik, Kondition, Motivation), können mit Tests gut gemessen werden. Das Problem: Ein «Zusammenzählen» verschiedener Testergebnisse zu einem Gesamtergebnis «Talent» oder «Kein Talent» ist nicht möglich, weil die Bedeutung einzelner Faktoren nicht vollständig klar ist bzw. diese unterschiedlich sein kann (Problem 3). Man weiss, dass Motivation und Technik zwei wichtige Talentfaktoren sind. Man kann aber nicht allgemein sagen, welches Kriterium der beiden wichtiger ist. So wird bei einem jungen Spieler mit aktuell schlechter Technik die Motivation sehr wichtig sein, damit er in Zukunft nicht die Lust verliert, seine Technik zu verbessern. Auf der anderen Seite muss ein brillanter Techniker vielleicht etwas weniger Motivation mitbringen, um am Ende gleich erfolgreich zu werden, wie der Spieler mit der schlechteren Technik. Stellt man nur diese zwei Faktoren gegenüber, dann ist das Zusammenspiel noch recht überschaubar. Wenn aber weit mehr als 10 Aspekte wichtig sind, wird dieses Zusammenspiel der einzelnen Faktoren extrem komplex und ist nicht mehr vollständig aufzulösen. Insgesamt sind frühe Talentselektionen im Kinder und Jugendbereich daher sehr schwierig. Beim BSC YB werden die ersten Selektionen jedoch ohnehin bereits etwas später gemacht, als in anderen Organisationen.

3. Wie gelingt trotz Schwierigkeiten...

... ein bestmöglicher Selektionsentscheid?

Aufgrund der durchgeführten Forschungsprojekte ist man der Lösung für die schwierige Frage «Wer ist das grösste Talent?» durchaus ein Stück nähergekommen. Es konnte herausgefunden werden, dass eine Kombination aus einem Trainerurteil (d.h. einer Einschätzung der Fähigkeiten des Spielers durch den Trainer) und gemessenen Testdaten (z.B. Ergebnisse aus Tests für die Bereiche Technik, Kondition, biologische Entwicklung etc.) recht gut über das spätere Leistungsniveau im Erwachsenenalter Aufschluss gibt und dieses Vorgehen somit zur bestmöglichen Selektionsentscheidung geführt hat.


Zentrale Aussage im Hinblick auf Selektionsurteile: Es sollten Trainereinschätzungen und Testdaten herangezogen werden

Beim BSC YB wird in Form des PISTE-Tests bereits eine solche Kombination aus Trainerurteil und Testdaten eingesetzt, um über die Aufnahme ins Nachwuchsfördersystem zu entscheiden. Die Talentselektion erfüllt also bereits hohe wissenschaftliche Standards, wenngleich man immer um eine Verbesserung bemüht ist. Leider wird am Ende auch die bestmögliche Talentselektion den einen oder anderen Irrtum begehen. Daher sollten auch nicht selektionierte Spieler weiter mit Freude und Engagement beim Fussball bleiben. Am langen Weg bis zum professionellen Fussball kann man sich mit viel Motivation und Unterstützung aus dem Umfeld zu einem späteren Zeitpunkt wieder ins Fördersystem integrieren bzw. auch auf Umwegen das Ziel Profifussball erreichen.

4. Wie wirkt die Familie...

...als Talentfaktor im Schweizer Nachwuchsfussball?

Die Familie spielt eine wichtige Rolle im nicht-sportlichen Umfeld junger Fussballer. Wenngleich man einzelnen Talentfaktoren keine genaue Wertigkeit zuschreiben kann, wurde in verschiedenen Studien aufgezeigt, dass die Familie bei Schweizer Jugendfussballern einen entscheidenden Baustein zum späteren sportlichen Erfolg beitragen kann.
Als kurioses Beispiel konnte die Bedeutung von älteren Brüdern aufgezeigt werden. Spieler auf besonders hohem Leistungsniveau haben demnach häufiger einen älteren Bruder der ebenfalls Fussball spielt. Dadurch ist in der Jugendzeit immer ein Vorbild, aber auch ein passender «Gegner» parat, der meist auch noch stärker ist bzw. besser spielt. Die jüngeren Brüder müssen lernen sich beim gemeinsamen Spielen gegen den grösseren Bruder durchzusetzen, was die sportliche Entwicklung forciert.


Spannende Erkenntnis: Spieler in höheren Leistungsniveaus haben häufiger einen (älteren) Bruder, der ebenfalls Fussball spielt (insgesamt 159 Studienteilnehmer)

Weiter kann bei besseren Spielern oftmals ein höherer Stellenwert des Fussballs in der Familie festgestellt werden. Vielleicht haben dort auch die Eltern aktiv Sport ausgeübt und sind somit wiederum gute Vorbilder. Gegebenenfalls ist auch mehr Wissen vorhanden, was es denn braucht, um im Sport erfolgreich zu sein. Zudem wird die Begeisterung für den Sport und die Unterstützung für die sportlichen Kinder grösser sein. Sie erfahren dementsprechend ein positives Feedback und sind mit mehr Eifer bei der Sache.
Auch beim Einsatz von Ressourcen der Eltern unterscheiden sich später erfolgreicherer Spieler von ihren Alterskollegen. Ihre Eltern investieren im Schnitt mehr Zeit und Geld für die Sportausübung der Kinder. Dadurch fühlen sich die jungen Fussballer vermutlich gut unterstützt und ihre Motivation für die Ausübung des Sports steigt.

ACHTUNG: Natürlich ist zu bedenken, dass bei diesen genannten Beispielen jeweils Ausnahmen die Regel bestätigen. Für die Studienergebnisse wurden Durchschnittswerte über grössere Gruppen von Spielern hinweg geprüft. In Einzelfällen kann es aber Abweichungen geben. Somit darf nicht geschlossen werden, dass eine grössere Zeit- oder Geldinvestition der Eltern in jedem Fall zu höherem sportlichen Erfolg bei den Kindern führt.

5. Wie können Eltern einen jungen Fussballer...

...positiv unterstützen?

Auf die Frage «Wie können Eltern ihre Kinder konkret in der sportlichen Entwicklung unterstützen?», gibt es keine einfache Antwort. Die Rolle der Eltern in der Talententwicklung ist komplex und im Zweifel kann bei verschiedenen Kindern ein und dasselbe Elternverhalten zu völlig unterschiedlichen Reaktionen führen. Dennoch wird nachfolgend versucht die Rolle der Eltern für den Entwicklungsprozess zu systematisieren und Gedankenanstösse zu geben, welches Elternverhalten einen positiven Einfluss auf die sportliche Entwicklung der Kinder nehmen könnte.


Die möglichen Rollen von Sporteltern im Talententwicklungsprozess. Zuallererst sind Sporteltern natürlich auch Eltern. Nebenbei können sie ihre Kinder über die Rolle als Vorbild, Dienstleister oder Ratgeber positiv beeinflussen.
 
  • (a) Die Kernaufgaben der Eltern-Rolle
    Sporteltern müssen einen Spagat schaffen: der Sport spielt eine zentrale Rolle, man sollte aber einen ganzheitlichen, über den Sport hinausgehenden Blick bewahren. Ein Kind ist zuallererst ein Mensch mit seinen unterschiedlichen Bedürfnissen, erst danach kommt der Fussball. Wenn im stressigen Alltag wenig Zeit bleibt, besteht die Gefahr sein Kind vor allem über die Identität als Sportler wahrzunehmen und auch im Familienleben nur auf die sportliche Entwicklung zu projizieren. Das würde bedeuten: läuft es im Sport gut, dann ist auch zu Hause die Stimmung gut; läuft es im Sport weniger gut, wäre dementsprechend auch im Familienleben die Gefühlslage im Keller. Im Idealfall gelingt ein Ausgleich. Das ist besonders wichtig, wenn es im Sport vielleicht einmal nicht mehr weitergeht wie gewünscht (z.B. Verletzungen oder Deselektion). Ist im Leben eines Jugendlichen alles zu 100% auf den Sport ausgerichtet, bricht in so einem Moment eine Welt zusammen und es ist schwierig damit umzugehen. Wenn dem Vorgebaut wird und andere Lebensbereiche nicht völlig vernachlässigt werden (z.B. Freunde, Ausbildung, Familie), findet man sich bei grösseren Problemen im Sport dann auch leichter in den anderen Bereichen zurecht und erfährt dort Ablenkung oder einen neuen Anschluss.
    Eltern die sich den gesamten Anforderungen als «Sporteltern» gewachsen fühlen, können ihre Kinder insgesamt besser unterstützen. Unsicherheit oder Überforderung wirkt sich in der Regel auch negativ auf die Kinder aus. Dabei ist zu bedenken, dass die Anforderungen an die Eltern in verschiedenen Entwicklungsstufen des Kindes unterschiedlich sind und sich Eltern über die Zeit hinweg auch immer wieder anpassen müssen. Diese Anpassung ist gar nicht so einfach. Wenn Eltern unsicher sind, wie Sie mit einzelnen Dingen umgehen können, dann sollten Sie vielleicht auch einmal externe Hinweise einholen. Wo das möglich ist, kann man unter Punkt 7 «Hilfe, mein Kind wurde als Fussballtalent identifiziert – wohin kann ich mich bei Fragen wenden?» nachlesen.
     
  • (b) Eltern als Vorbild für die Talente
    Der «Vorbildrolle» kommt bei Sporteltern eine besondere Bedeutung zu. So können Jugendliche viel einfacher einen sportgerechten Lebensstil führen, wenn dieser von den Eltern vorgelebt wird (z.B. Ernährung, Schlafhygiene). Auch in puncto «Arbeitseinstellung» kann man mit gutem Beispiel vorangehen. Wer täglich motiviert ist, sich selbst weiterzubilden und weiterzuentwickeln oder langfristig an einem Ziel zu arbeiten, wird diese wichtigen Dinge wie von selbst an seine Kinder weitergeben.
    Mittlerweile viel mediale Aufmerksamkeit hat die Vorbildrolle im Hinblick auf den Umgang mit den emotionalen Anforderungen des Wettkampfs erreicht. Jeder will gewinnen und sportlich erfolgreich sein, das ist klar. Dieser sportliche Ehrgeiz bringt aber manchmal auch negative Emotionen gegen Schiedsrichter oder andere Teams mit sich (z.B. Beschimpfungen). Im schlimmsten Fall werden in der Hektik des Wettkampfs auch negative Emotionen gegen Mitglieder des eigenen Teams ausgelebt. In diesem Bereich müssen Eltern ein Vorbild sein, ihre Emotionen während des Wettkampfes unter Kontrolle halten und sich in jedem Fall als gute Sportsmänner oder Sportsfrauen zeigen (z.B. Fair Play, Ehrlichkeit, gute Leistung anderer anerkennen). Negative Emotionen führen auch zu einem negativen Einfluss auf die sportliche Leistung, weil der Fokus verloren geht. Somit ist es nicht nur ein Verstoss gegen das «Fair Play», auch die sportliche Weiterentwicklung wird dadurch gehemmt.
     
  • (c) Eltern als Dienstleister für die Talente
    Damit Kinder dem Sport nachgehen können, werden sie von ihren Eltern in verschiedenen Aspekten als «Dienstleister» unterstützt. Ein zentraler Bereich ist die von den Eltern aufgewendete Zeit (z.B. Transport zum Training oder die Begleitung an Wettkämpfe, organisatorische Hilfe). Ein anderer die finanzielle Unterstützung (u.a. Ausrüstung, Transport, Clubbeiträge). Bei älteren Jugendlichen reicht der finanzielle Aspekt bis hin zur Kompensation eines «Verdienstentgangs». Ohne zeitliche Belastung durch den Leistungssport hätten die Kinder vielleicht früher die Möglichkeit, den Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten.
    Insgesamt sind die benötigten Ressourcen der Eltern bei Kindern mit Ambitionen im Leistungssport wesentlich höher, als ohne das sportliche Bestreben. Allerdings sind die finanziellen Aufwände im Fussball vor allem im Vergleich zu anderen Einzelsportarten (z.B. Golf, Tennis, Ski Alpin) überschaubar, weil sehr viel vom Club oder Verband bzw. weiteren Institutionen finanziert wird (z.B. Trainer, Ausrüstung).
     
  • (d) Eltern als Ratgeber für die Talente
    In Abhängigkeit vom eigenen Wissen sind Eltern auch ein wichtiger Ratgeber für die Kinder. Zuoberst scheint es dabei wichtig, dass Eltern Ratschläge im Sinne einer langfristigen Weiterentwicklung mit «Prozesszielen» geben (z.B. «versuche dich entsprechend der Vorschläge des Trainers weiterzuentwickeln») und keine kurzfristige Ergebnisorientierung stattfindet (z.B. «Sieg am Wochenende ist besonders wichtig»). Entsprechend dieser Prozessziele kann man als Elternteil gemeinsam mit dem Kind das Training oder Spiel debattieren (z.B. «was waren die Vorgaben des Trainers, wie hast du diese Vorgaben umgesetzt?»). Grundsätzlich sollten dabei positive und negative Dinge angesprochen werden. Im Idealfall werden negative Aspekte in ein Sandwich aus zwei positiven Punkten gepackt: ein positives, ein negatives und zum Abschluss wieder ein positives Argument.
    Eltern sollten zudem die sportlichen Erwartungen der Kinder in die richtigen Bahnen lenken. Jeder würde gerne so gut werden wie Messi, Ronaldo oder Mbappe. Nur wenige haben jedoch die Chance, das auch zu erreichen. Während es positiv zu bewerten ist, wenn Jugendliche die Ambition haben vieles zu erreichen, muss man ab und an darauf hinweisen, wie schwierig dieser Weg an die Spitze des Fussballs ist. Denn: selbst wenn man seine ganze Energie investiert, gibt es keine Gewissheit professioneller Fussballspieler werden zu können.
    Wenn sich Eltern nicht in der Lage fühlen mit dem Kind über Dinge aus dem fussballerischen Bereich zu sprechen und es als Ratgeber zu unterstützen, kann man vielleicht aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis jemanden suchen. Natürlich sollen dabei immer die Vorgaben des Vereins oder Trainers bedacht werden. Es kann aber nicht schaden, wenn sich zumindest ab und an eine Person aus dem familiären Umfeld in Bezug zum Sport mit dem Kind austauschen kann.

6. Zuviel des Guten: Können Eltern...

...zur Belastung im sportlichen Entwicklungsprozess werden?

Wird über familiären Unterstützung für Fussballtalente gesprochen, stellt sich die Frage, ob es auch mögliche negative Auswirkungen gibt? Dies lässt sich am Beispiel von drei Eltern-Typen (uninteressierte, unterstützende oder übermotivierte Eltern) recht anschaulich beantworten.


Der Zusammenhang zwischen Intensität und Nutzen des elterlichen Engagements in der Unterstützung von jungen Fussballern. Wer zu wenig oder zu viel unterstützt, der holt vermutlich nicht das Maximum für das Kind heraus!
 
  • 1. Typ «uninteressierte Eltern»
    «Uninteressierte Eltern» beschäftigen sich wenig mit der Sportausübung des Kindes. Sie begleiten die Kinder nur ganz selten zum Training oder Spiel und sprechen mit ihnen kaum über den Sport. Dies kann dazu führen, dass sich Kinder im Vergleich zu anderen Teamkollegen vernachlässigt fühlen, weil deren Eltern ganz häufig vor Ort bzw. ganz eng am Sport dran sind. Ein weiteres Problem mit unbeteiligten Eltern ist, dass sie durch das geringe Interesse in der Regel keine Möglichkeit haben dem Kind in Bezug zum Sport weiterzuhelfen und es somit ein Stück weit alleine lassen in seiner Tätigkeit (z.B. uninteressierte Eltern können die sportliche Leistung der Kinder nicht einschätzen oder geben dem Kind evtl. gar unpassende Ratschläge, weil sie das System Nachwuchsförderung nicht kennen)?
     
  • 2. Typ «unterstützende Eltern»
    Eltern, die im optimalen Ausmass unterstützen, zeichnen sich durch eine Vielfalt an positiven Eigenschaften aus. Zunächst denken sie prozess- und nicht ergebnisorientiert. Sie sind somit an einer langfristigen sportlichen Entwicklung interessiert und denken nicht an kurzfristige Ergebnisse, wie Siege am Wochenende. Um diese langfristige Entwicklung zu erreichen, unterstützen diese Eltern das Kind als «Taxifahrer» beim Training oder als «Fan» (d.h. mit positiver Anfeuerung) an den Spielen. «Unterstützende Eltern» sind nicht extrem kritisch und üben keinen Druck auf die Kinder aus. Zudem halten sich diese Eltern ohne Ausnahme an die vorgegebenen Verhaltensregeln des Clubs bzw. treten sie generell am Fussballplatz als Vorbilder auf: an Spielen haben sie ihre Emotionen im Griff, wenden sich niemals mit Interventionen an den Schiedsrichter oder das gegnerische Team, sondern unterstützen ausschliesslich die eigene Mannschaft mit positiver Kommunikation und versuchen unabhängig von Spielstand oder Spielverlauf eher zurückhaltend zu bleiben.
    Unterstützende Eltern stellen sich bei Bedarf auch als Helfer für das Team, den Trainer oder den Club zur Verfügung und schenken dem Club bzw. dem Trainer das Vertrauen, dass sie das Richtige für die Kinder machen.
     
  • 3. Typ «übermotivierte Eltern»
    Leider findet sich an Sportplätzen im Nachwuchsfussball immer wieder der Typus «übermotivierte Eltern». Ein besonderes Kennzeichen dieser Gruppe ist die angestrebte Selbstverwirklichung der Eltern durch das Kind. Die Eltern wollen mit dem Kind etwas erreichen, was ihnen selbst nicht gelungen ist. Sofern die Familie mehrere Kinder hat, führt diese Selbstverwirklichungsstrategie in der Folge oftmals zur Vernachlässigung jener Kinder, die sportlich weniger erfolgreich sind. Zudem wird dem sportlich erfolgreichen Kind dadurch ein enormer Druck auferlegt und es entsteht eine hohe (nicht erreichbare) Erwartungshaltung an das Kind.
    Übermotivierte Eltern verlieren auch häufig den Blick für die zugedachte «Rolle» während des Spiels (d.h. Zuseher oder Fan) und sie wachsen in die Trainerrolle hinein. Sie werden «neunmalklug» und wissen alles besser. Keiner kann ihrem Kind sagen, was es zu tun hat, denn übermotivierte Eltern wissen es ja selbst am besten. Dies tritt in der Folge oft in Kombination mit einer unpassenden «Attribuierung» auf, d.h. alle anderen ausser dem eigenen Kind sind Schuld, wenn es sportlich nicht gut läuft. Zudem werden die «Grenzen» des Systems Kinder- und Jugendfussball immer wieder verletzt (z.B. Trainer während dem Spiel mit Problemen konfrontieren) und die Eltern können nicht die richtige Distanz zum Wettkampf wahren (z.B. kommen sie dem Plan des Trainers in die Quere, weil ein eigener Matchplan mit dem Kind entworfen wird). Dadurch kommt es zu vielerlei negativen Auffälligkeiten während des Spiels (z.B. negative Kommentare gegen Schiedsrichter, andere Eltern oder andere Spieler, bis hin zur körperlichen Auseinandersetzung) und die Eltern fokussieren vor allem auf negative anstatt positive Dinge.
    Abschliessend ist an diesem Typus Eltern besonders problematisch, dass er manchmal gar die Unterstützung der Kinder von Ergebnis oder Leistung abhängig macht oder auch das eigene Kind auf Basis des sportlichen Erfolgs mit anderen Kindern vergleicht. Wenn es dann sportlich gerade nicht besonders gut läuft, geht das Interesse der Eltern zurück. Und das obwohl genau in solchen Phasen das Kind besonders viel Unterstützung brauchen würde!

7. Hilfe, mein Kind wurde als Fussballtalent...

...identifiziert? wohin kann ich mich bei Fragen wenden?

Wenn Fragen zum Thema Begleitung und Unterstützung der sportlichen Kinder auftreten, gibt es verschiedene Stellen, die man zu Rate ziehen kann. Am einfachsten fällt es vielleicht mit anderen Eltern darüber zu sprechen. Eine weitere Möglichkeit wäre bei Bedarf Kontakt zum entsprechenden Trainer beim BSC YB zu suchen. Aktuell gibt es durch die projektbezogene Zusammenarbeit zwischen dem BSC YB und der Universität Bern auch die Möglichkeit eines «Elterncoachs». In dieser Position versucht Thomas Haupt bei allen Fragen zum Thema «Sporteltern» eine passende Antwort zu finden. Thomas (076 548 18 98) freut sich jederzeit über eine Kontaktaufnahme von interessierten Eltern!
 

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